Auf einen Blick
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Bekannte Probleme (III)

Widerstand gegen Transformation

Besonders bei langandauernder Übergangsnutzung kann es vorkommen, dass sich Widerstand gegen eine Transformation resp. gegen die Beendigung der Mietverhältnisse bildet. Dieser kann von innen, d.h. von der Mieterschaft oder von aussen, d.h. aus der lokalen Bevölkerung oder von der Politik kommen, oder in Kombinationen von beidem. Bei einer ganzheitlichen Analyse solcher Situationen sind verschiedene Fälle zu unterscheiden:

Partikulärinteressen

Der Widerstand zielt nur auf den Erhalt der Mietverhältnisse: Eine Mieterschaft hat sich über lange Jahre an die günstige Mietsituation gewöhnt. Die Leute wollen nicht mehr wahrhaben, dass sie in einer temporären Situation operieren, obschon sie es genau wissen.

Bei einer solchen Ausgangslage ist das Mietrecht gefragt. Wurden die Mieter/innen unachtsam mit unbefristeten Mietverträgen ausgestattet, so können diese unter Treu und Glauben davon ausgehen, dass sie ohne zeitliche Einschränkung in ihrem Mietobjekt bleiben können. Die Verantwortung liegt damit beim Eigentümer. Das Mietrecht bietet hier einen relativ starken Schutz. Soll ein Umnutzungsprojekt dennoch in kurzer Frist durchgezogen werden, sind entweder neue befristete Verträge auszuhandeln oder es ist eine vorzeitige Rückgabe des Mietobjektes u.U. mit finanziellen Abgeltungen zu bewerkstelligen.
(s.a. oben «Die bringt man ja doch nie weg.»)

Wenn befristete Verträge ausgestellt wurden und wenn zudem die Tatsache der Zwischennutzung im Mietvertrag deutlich festgehalten worden ist, sollten keine mietrechtlichen Probleme entstehen. Dann ist dem Widerstand mit überzeugender Information und Kommunikation zu begegnen.

 

siehe auch:
Recht/Mietverträge

Gesellschaftlicher Mehrwert

Der Widerstand kann tiefere Gründe haben: Aus der Zwischennutzung hat sich eine starke Ausstrahlung auf die Stadt oder die Kommune ergeben; eine eigene Identität ist entstanden und/oder lokale Defizite wurden kompensiert, d.h. es lassen sich dort Bedürfnisse befriedigen, welche sonst in der Stadt/Kommune zu kurz kommen und essentiell für die Lebensqualität sind (besondere kulturelle, ökonomische und soziale Qualitäten). Wenn für einen Eigentümer eine solche Situation überraschend kommt, dann war er beim Eingehen einer Zwischennutzung möglicherweise zu sehr auf das reine Vermietungsgeschäft ausgerichtet und hat, aus einer verständlichen Unerfahrenheit heraus, dem Potenzial von Zwischennutzung zu wenig Beachtung geschenkt.

Drei Beispiele

Auf dem nt/Areal in Basel erzeugte im Sommer 2008 allein die behördlich verfügte Einschränkung der Öffnungszeiten für Veranstaltungslokale, welche die Transformation zu einem neuen Stadtquartier einläuten sollte, einen Aufschrei breiter Bevölkerungskreise in Form einer Flut von Leserbriefen. Grundtenor: Lasst uns den letzten Freiraum der Stadt! Folge: Sofortige Abschwächung der Verfügung und spätere Aufhebung.

 

nt/areal

Gegen den Quartierplan über das zwischengenutzte 3.2 ha grosse Hanro-Areal in Liestal regte sich Widerstand in Form eines Referendums, welches 2008 bei der Stimmbevölkerung Erfolg hatte (54% Nein, Stimmbeteiligung über 50%). Anstelle einer Neuüberbauung für 200 Wohnungen wünschten sich die Gegner die Sicherung der über 100 Arbeitsplätze der Kreativwirtschaft, im Bildungsbereich und der Gesundheitsbranche, sowie die Aufrechterhaltung der in den Jahren gefestigten Identität des Areals. Ferner bemängelten sie den fehlenden Einbezug der Mieterschaft in die Planung und die Übergabe des Areals an einen «anonymen Grossinvestor».

Hanro Areal Liestal

In der Stadt Bern hat sich seit 2005 im ehemaligen Progymnasium am Waisenhausplatz die kulturelle Zwischennutzung PROGR mit hoher Ausstrahlung installiert. Das Vorhaben der Stadt, das Areal dem Sieger eines Wettbewerbs zu verkaufen und einer kommerziellen Nutzung (Gesundheit, Wellness, Einzelhandel) zuzuführen, scheiterte 2009 in einer Volksabstimmung, nachdem sich die Zwischennutzer für einen Erhalt durch Kauf stark gemacht hatten. Somit wird aus dem künstlerischen Provisorium ein Dauerzustand.

Abstimmungsmitteilung
der Stadt Bern

Homepage PROGR

Überlegungen zur Problemlösung

Planungsprojekte sind immer auch politische Vorhaben, welche über die Interessen eines Eigentümers oder Investors hinausgehen. Wenn die Revitalisierung eine Brache auch politisch Erfolg haben will, muss die lokale Befindlichkeit eruiert werden. Widerstand kann sich v.a. dann ergeben, wenn die Transformation einer Industriebrache die qualitativen Errungenschaften einer Zwischennutzung für die Gemeinschaft nicht würdigt, welche ausserdem meist mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement operiert und wenn der daraus entstandene Mehrwert nur von den Eigentümern abgeschöpft wird.

Insbesondere wenn Eigentümer sich sehr viel Zeit mit der Entwicklung eines Areals lassen, müssen sie mit einer Eigendynamik der Zwischennutzung rechnen. Paradoxerweise sind es oft genau die belebenden und standortaufwertenden Komponenten, welche den Eigentümer zu einer Zwischennutzung motivieren, von der er auch profitiert. Hier sei zurückverwiesen auf die Methodik der prozessualen Planung, welche nicht zwingend auf die ursprünglichen Ziele fixiert ist, sondern diese laufend in Frage stellen und die neuen Qualitäten integrieren darf. Verschiedene Projekte zeigen, dass eine Best-of-two-worlds-Strategie zu befriedigenden Lösungen - auch in unternehmerischem Sinn - führen kann, d.h. gleichzeitig erhalten, was erhaltenswert ist und erneuern, wo der Bestand kein Potenzial mehr aufweist.

Lässt sich diese Strategie nicht anwenden oder werden errungene Qualitäten dennoch verdrängt, sind die Behörden gefragt, um entsprechenden Ersatz zu schaffen, wenn die politische Situation weiterhin gärt.

Schäden an der Bausubstanz

Allzu ungestüme Kreativität der Mieterschaft kann auch ins Auge gehen, wenn nachteilige Einbauten vorgenommen werden oder eine übermässige Abnutzung der Bausubstanz auftritt, welche für eine spätere Umnutzung nachteilig sind.

Wenn noch unklar ist, ob ein Gebäude erhalten oder abgerissen wird, muss beim Abschluss des Mietvertrages besonders auf Art. 260a OR verwiesen werden, welcher bei Veränderungen durch den Mieter die schriftliche Zustimmung des Vermieters verlangt. Die Risiken der übermässigen Abnützung müssen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit beurteilt werden, wobei bei einem eher schon heruntergekommenen Objekt nicht dieselben Massstäbe gelten wie bei einer weitgehend intakten Baute. In jedem Fall gilt, dass gemäss Artikel 267 OR die Mieterschaft das Objekt in dem Zustand abgeben muss, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch der Sache ergibt. Also ist die Nutzung im Vertrag präzise zu umschreiben.

 

siehe auch:
Finanzen/Investitionen

Schäden im Untergrund

Je nach Art der Zwischennutzung, z.B. bei einer Reparaturwerkstätte oder Autogarage besteht ein Risiko für Verschmutzungen des Untergrundes, welche ein spätere Umnutzung massiv behindern oder verteuern können. Dem kann durch klare Regeln und Auflagen bereits im Mietvertrag begegnet werden. Unabdingbar bei Aktivitäten mit umweltgefährdenden Stoffen sind wirksame Kontrollmassnahmen. Bei Beendigung der Zwischennutzung gilt auch hier Artikel 267 OR, wonach die Mieterschaft das Objekt in dem Zustand abgegeben muss, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch der Sache ergibt.

 

siehe auch:
Finanzen/Altlastensanierung